Der Umgang mit Mobilität und Verkehr
im Rahmen strategischer Stadtpolitik, oder:
Auf der Suche nach Verkehrskompetenz
Mobilität und Verkehr werden in diesem Beitrag als Gegenstand strategischer Stadtpolitik betrachtet. Dabei wird auf einen neuen Ansatz in der Stadtentwicklung rekurriert, der im Kontext veränderter Rahmenbedingungen spätestens seit Mitte bis Ende der 1990er Jahre diskutiert wird (Brake 2001). Diese Rahmenbedingungen sind insbesondere gekennzeichnet durch den forcierten ökonomischen Strukturwandel, die informationstechnischen Umbrüche, soziale Ausdifferenzierungsprozesse und die umfassende Deregulierung in Politik und Planung (vgl. etwa Beck/Bonß 2001).
Die Grundthese ist, dass auf dieses veränderte Umfeld mit den tradierten Leitbildern und Instrumenten von Politik und Planung nicht mehr angemessen reagiert werden kann. Neue Strategien sind gefragt. Dies gilt vor allem für die Stadtentwicklung und erst recht für den Bereich Mobilität und Verkehr. Dieses Handlungsfeld, das sowohl Beweglichkeit im Raum im weiteren Sinne als auch physische Ortsveränderungen umfasst, hat sich in der Vergangenheit sehr dynamisch entwickelt. Dies liegt in seiner Eigenschaft als Ergebnis und Katalysator des skizzierten Wandels begründet. Gleichzeitig haben die Folgelasten des Verkehrs erheblich zugenommen. Es spricht viel dafür, dass dies auch in nächster Zukunft so sein wird. Mithin dürften sowohl der kurzfristige Handlungsbedarf als auch die Nachfrage nach längerfristigen Orientierungen steigen.
Auf diesen beiden Zeitachsen soll auch die Berlin-Studie Orientierung geben, in deren Kontext dieser Beitrag steht (Arbeitsgruppe Berlin-Studie/Der Regierende Bürgermeister 2001). Die Berlin-Studie wurde zwischen 1998 und 2000 erarbeitet und steht in einer Reihe mit Städtestudien, die die Europäische Kommission für die Stadtregionen London, Wien und Berlin angeregt und unterstützt hatte. Ziel war es, neue Antworten auf die Herausforderungen der Stadtpolitik zu finden, neue Allianzen für die Umsetzung von Strategien zu schmieden und auf diese Weise auch die Problemlösungskompetenz der lokalen Ebenen zu erhöhen. Absicht des Handlungsfeldes Mobilität und Verkehr im Rahmen der Berlin-Studie war es, Grenzen aktueller Konzepte zu überwinden und Bewegung in den oft als „festgefahren“ empfundenen Sektor zu bringen. Es ging also um eine Skizze innovativer Politikbausteine. Ziel war nicht die Formulierung eines Gesamtprogramms für den Verkehr, sondern die Entwicklung von Ideen, die repräsentative Blockaden im Handlungssystem auflösen könnten.
Der folgende Beitrag skizziert den Begründungsrahmen der Studie, stellt die seinerzeit formulierten Vorschläge vor und fragt danach, was in der Zwischenzeit passiert ist.
Mobilität und Verkehr sind aus Sicht einer zukunftsorientierten Stadtentwicklung von besonderer Bedeutung. Dieser Bereich stellt aber zugleich hohe Anforderungen an die Fähigkeiten zur Problemlösung. Der schwierige Charakter dieses Gegenstandes lässt sich mit wenigen Stichworten kennzeichnen als
· dynamisch wachsend (vor allem Pkw-Verkehr außerorts, Güterfernverkehr, Luftverkehr),
· konfliktreich (viele konkurrierende Ansprüche und Interessen) und
· offenbar hochgradig steuerungsresistent.
Mobilität und Verkehr sind eng in die ökonomische, gesellschaftliche und räumliche Entwicklung eingebettet. Aufgrund dieser Eigenschaft und der Querschnittsfunktion, die Mobilität in der modernen Gesellschaft übernimmt, ist sie Folge und Voraussetzung unterschiedlicher Faktoren und Einflussgrößen. Die Steuerbarkeit dieses Strategiefeldes erscheint daher zunächst begrenzt, nicht zuletzt wegen der hohen Komplexität. Das populäre Ziel der nachhaltigen Entwicklung hat dieses Problem aufgrund seiner mehrdimensionalen Anlage (Ökologie, Ökonomie, Soziales) durchaus verschärft. Insofern ist die zentrale Frage im Verkehrssektor nicht allein der angestrebte Zielzustand (Was soll sein?), sondern auch die Frage danach, wie und von wem dieser Zustand realisiert werden soll. Hinzu kommt die grundsätzliche Frage danach, ob das „Bild“ von Mobilitätsbedürfnissen und Verkehr, das Politik und Planung gemeinhin zu Grunde liegt, der Realität überhaupt angemessen ist.
Der Versuch, Mobilitätsbedürfnisse und Verkehr über die Stadtentwicklung zu steuern, verursacht erhebliche Zielkonflikte und konkurrierende Interessen. Auf der einen Seite dominiert weiterhin das Leitbild der Erreichbarkeit und Verkehrsfunktionalität, das im Zuge des verschärften ökonomischen Wettbewerbs an Bedeutung gewonnen hat. Wirtschaftliche Prosperität wird eng an die Voraussetzung einer funktionierenden Verkehrsinfrastruktur gebunden. Auf der anderen Seite werden die objektiv vorhandenen negativen Folgen des motorisierten Verkehrs zum Thema gemacht. Das Ziel der Stadt- und Umweltverträglichkeit ist zumindest vorübergehend in den Mittelpunkt der Politik gerückt. Die konkurrierenden Positionen sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Grundkonflikts und stehen bisher noch weitgehend unvermittelt gegenüber.
Diese allgemeinen Bedingungen stellen sich in Berlin durchaus verschärft dar. Denn hier erfolgt die Auseinandersetzung mit dem Thema Mobilität und Verkehr in einem gesellschaftlich und raum-zeitlich sehr viel komplexer gewordenen Umfeld. Die jahrzehntelang geschützte und subventionierte Stadtökonomie vollzieht heute die Einbindung in die Marktwirtschaft zugleich unter den Bedingungen der Globalisierung. Dies hat eine signifikante Ausdehnung der wirtschaftlichen Aktionsräume zur Folge. Der Bedeutungszuwachs des Berliner Stadtumlands infolge der Suburbanisierung bewirkt mehr Verkehr, durch Entfernungszunahme und Dispersion von Wegen in der Alltagsmobilität. Schließlich ist von einer Flexibilisierung individueller Raum-Zeit-Regimes auszugehen; diese resultiert nicht nur aus der wachsenden sozial-räumlichen Ausdifferenzierung der Stadtgesellschaft, sondern auch aus der massiven Wanderungsdynamik seit der Wende.
Der Verkehrsraum Berlin (als Teil der Region Berlin-Brandenburg) bietet einerseits gute Voraussetzungen für erfolgversprechende politische Initiativen, insbesondere mit Blick auf die räumliche bzw. stadtstrukturelle Ausgangssituation. Diese zeichnet sich durch Dichte und Vielfalt, ein historisch „gewachsenes“ öffentliches Verkehrsnetz in der Region wie auch überregional aus (wobei das städtische Verkehrsnetz in der Wahrnehmung durch Außenstehende nicht selten besser abschneidet als durch seine täglichen Nutzer). Hinzu kommen ein hohes Maß an räumlicher Binnenorientierung der Wohnbevölkerung sowie der kalkulierbare Ablauf der Suburbanisierung. Der politisch-planerische Anspruch ist recht hoch und bewegt sich auf dem Stand der allgemeinen fachlichen Diskussion (vgl. Kunst/Blümel 1999).
Gegenüber diesem programmatischen Anspruch fallen Umsetzung und Relevanz der in Berlin verfolgten Maßnahmen deutlich ab. Die bisherige Politik- und Planungspraxis genügt weder den hohen eigenen Ansprüchen (beispielhaft: die angestrebte 80:20-Verkehrsteilung zwischen ÖV und MIV in der Berliner Innenstadt; der regionale Verkehrstechnik-„Cluster“) noch dem anderenorts erreichten Stand etwa der integrierten Förderung von öffentlichem und nichtmotorisiertem Verkehr. Die reale Verkehrsentwicklung ist von „Zukunftsfähigkeit“ weit entfernt: Anhaltend hohe Anteile des Kfz-Verkehrs, deutliche Verluste des Nahverkehrsunternehmens BVG in den 1990er Jahren (bei Zuwächsen der S-Bahn), Rückgang von Bahn und Binnenschiff im Güterverkehr sowie eine randständige Rolle der nichtmotorisierten Mobilität kennzeichnen das Berliner Verkehrsbild. Luftschadstoffe beeinträchtigen die Gesundheit und die Lebensqualität weiterhin. Über 400.000 EinwohnerInnen an Hauptverkehrsstraßen sind unzulässig hohen Lärmbelastungen ausgesetzt (aktuelle Daten: www.stadtentwicklung-berlin.de). Trotz seines dichten Bus-, U-Bahn-, S-Bahn- und Tramnetzes gilt Berlin als „Autofahrerparadies“.
Die Ursachen des „Berliner Problems“ liegen jedoch tiefer, als es Thesen vom Nachholbedarf in der Infrastrukturpolitik nach der Wende und vom Innovationsbedarf hinsichtlich moderner Technologien – beides populäre „Erzählungen“ in der Region – suggerieren. Es geht nur zum Teil auf den Mangel an technischen oder organisatorischen Innovationen zurück, so dass neue Produkte, Verkehrssysteme, Organisationsformen und Technologien hier nur bedingt Abhilfe schaffen würden. Das Problem hat vielmehr mit dem Unvermögen zu tun, einen tragfähigen Kompromiss zu finden und das theoretisch als richtig Erkannte auch umzusetzen. Die verfestigten Interessenstrukturen der jeweiligen programmatisch-ideologischen Lager erschweren eine Verständigung über solche Kompromisse ganz erheblich.
Insofern ist es erforderlich, die spezifischen Umsetzungsbedingungen und ‑kontexte für Maßnahmen im Raum Berlin-Brandenburg in den Blick zu nehmen. Es hat wenig Sinn, vermeintlich „innovative“ Lösungsansätze aus Verkehrstechnik und ‑planung in einem politischen Handlungskatalog zu subsumieren, ohne danach zu fragen, warum die bisher in Berlin unter dem Dach einer durchaus anspruchsvollen Programmatik verfolgten Strategien offenbar nicht dazu geführt haben, das Problem zu lösen. Die Umsetzung von Innovationen erfolgt in einem gesellschaftlichen und politischen Raum; sie ist von fördernden und blockierenden Rahmenbedingungen beeinflusst. Es bedarf daher der systematischen Auseinandersetzung mit Umsetzungschancen und -barrieren.
Im Berliner Handlungsmilieu ist die Konkurrenz der möglichen „Lösungen“ idealtypisch repräsentiert. Auf der einen Seite wird in Verkehrspolitik und ‑planung einem informationstechnologischen Paradigma (Telematik) Lösungskompetenz zugeschrieben. Die bessere Organisation und räumliche, zeitliche sowie modale Verteilung des vorhandenen Verkehrs, wesentlich ermöglicht durch die neuen Informations- und Kommunikationstechniken, durch Verkehrsleitsysteme, satellitengestützte Navigation etc. wird als Schlüsselfrage für die Zukunft angesehen. Dazu gibt es im Raum Berlin-Brandenburg eine Vielzahl von Aktivitäten. Sie verfolgen vorrangig wettbewerbsökonomische Ziele: Berlin soll als „Kompetenzregion“ in der Verkehrstechnik etabliert werden. Beide Ziele – Strukturpolitik und Verkehrsbeeinflussung – sind nicht notwendigerweise kongruent.
Auf der anderen Seite wird erwartet, dass Verkehrsplanung und ‑politik einen Beitrag zur Reduzierung des motorisierten Verkehrs leisten, vor allem durch Förderung der Verkehrsmittel des sog. Umweltverbundes und durch Einschränkung des Kfz-Verkehrs. Die Erfahrungen, die mit diesem Politikziel bisher – innerhalb und außerhalb Berlins – gemacht wurden, sind allerdings wenig ermutigend. Es bleibt offen, inwieweit diese Bilanz auf die falschen Strategien und Instrumente, auf nicht-intendierte Nebenfolgen, mangelnden politischen Willen bzw. planerisches Unvermögen oder fehlende gesellschaftliche Akzeptanz zurückgeht. Dem hohen Anspruch stehen aber kaum entsprechende Handlungsstrategien gegenüber: Auf der einen Seite pokern die diesbezüglichen Akteure sehr hoch, bis hin zur Rede vom „Weltkompetenzzentrum Verkehr“ (Tagesspiegel 09.11.2001); andererseits fallen die überprüfbaren Resultate noch recht bescheiden aus.
Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass es bisher nicht gelungen ist, eine konstruktive Verbindung zwischen dem informations-technischen Politikpfad bzw. Paradigma und dem stadt- und verkehrsplanerischen Handlungsmilieu herzustellen. Dies ist auch ein Problem der gängigen „Produktion von Wissen“: Die im hiesigen Diskurs dominanten Wissensmilieus sind getrennt voneinander entstanden, folgen verschiedenen Modi der Wissensproduktion, sind gegenseitig tendenziell abgeschottet. Ihre systematische Verschränkung wäre vermutlich notwendige Voraussetzung für eine Problemlösung. Die „Sperrigkeit“ des Verkehrs, die Konkurrenz der verschiedenen Politikansätze und die Abwesenheit eines überzeugenden Steuerungsmodells bilden den äußeren Rahmen für ein neues strategisches Konzept. Konkrete Vorschläge müssen sich daran messen lassen, inwieweit sie diesen Herausforderungen gerecht werden können, ohne gleichzeitig an den bekannten Umsetzungsbarrieren zu scheitern.
Mit Blick auf diesen Anspruch und die Gesamtstrategie der Berlin-Studie sind Ziele und Maßnahmen im Bereich „Mobilität und Verkehr“ durch einen strategiegeleiteten Realitätssinn gekennzeichnet. Dieser Politiktyp will einerseits keine uneinlösbaren Versprechen abgeben, vor allem nicht auf Seiten der Planung, andererseits aber langfristige Zielkorridore verfolgen. Strategisch geht es dabei um:
· Orientierung an dauerhafter Verbesserung der Gesamtsituation statt an spektakulären Einzelvorhaben,
· Schwerpunktsetzung auf organisatorischen Ansätzen statt vorrangig auf baulichen Lösungen,
· Orientierung an einer Beeinflussung der Verkehrsnachfrage, statt einseitig neue Angebote vorzuhalten,
· gemeinsame Realisierungsverantwortung in der Hand privater und öffentlicher Akteure,
· öffentliche Diskussion und Vermittlung von Grenzen der Verkehrsmöglichkeiten, zivile Austragung von Interessen- und Nutzungskonflikten.
Die daraus folgenden Maßnahmen vertreten nicht den Anspruch auf sensationell Neues. Wichtiger als die temporäre Ausrufung von „Modellprojekten“, mit denen die Verkehrspolitik hoch pokert (aber nicht selten tief fällt), wäre die systematische, konsequente Verfolgung eines Handlungspfades, der die alltägliche Dimension von Mobilität und Verkehr mit der Entwicklung strategischer Visionen und Problemlösungskompetenzen verknüpft. Dieser Weg sollte auf einer diskursiv erzielten gesellschaftlichen Mehrheit aufbauen und von zivilen und politisch-administrativen Akteuren gegangen werden. Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen zu verbessern, ohne soziale Polaritäten zu verschärfen, sie sollen die Belastungen für Umwelt und Stadtraum durch den Verkehr reduzieren (bezogen auf Lärm, ausgewählte Emissionen, Verkehrssicherheit, Brauchbarkeit des Stadtraums). Schließlich sollen sie allgemeine Erkenntnisse zur Problemlösung befördern, die im Erfolgsfall auch anderenorts angewendet werden können.
Absicht der hier skizzierten Vorschläge ist es, Aufgaben zur künftigen Gestaltung von Mobilität und Verkehr für und in Berlin zu benennen, die sowohl die Realisierung anerkannter Routineaufgaben als auch neue Problemlösungsansätze umfassen.
Soweit man von einem „Berliner“ Politik- und Planungstypus im Bereich Mobilität und Verkehr sprechen kann, ist dieser zunächst durch einen spezifischen Nachholbedarf in der Erledigung von Routineaufgaben gekennzeichnet. Als vordringlich gilt es, die Abwärtsspirale des im Grundsatz eigentlich hervorragend konfigurierten öffentlichen Nah- und Regionalverkehrssystems zu stoppen und die in den vergangenen zehn Jahren abgewanderten Fahrgäste innerhalb der Hälfte der Zeit (also in fünf Jahren) für das System zurückzuholen. Hier muss es zu einer qualitäts- und quantitätsorientierten „Offensive“ für den öffentlichen Verkehr kommen. Diese Modernisierungsoffensive (bestehend aus kurzfristig spürbaren Angebotsverbesserungen durch dichte Fahrplantakte, zeitgemäße Informations- und Serviceleistungen, Weiterentwicklung des Qualitätsmanagements, neue Dienstleistungen) ist zu verbinden mit einem tragfähigen Unternehmenskonzept, das die Zukunft des ÖPNV unter Wettbewerbsbedingungen sichert.
Neben dieser Hausaufgabe stellt sich außerdem eine „Innovationsaufgabe“: Es geht darum, die Rahmenbedingungen für eine Ausdifferenzierung des traditionellen ÖV zu einem flexiblen, bedürfnisgerechten Mobilitätsangebot zu schaffen, parallel zur Flexibilisierung der Mobilitätsbedürfnisse. Dazu bietet Berlin viele Potenziale und Anknüpfungspunkte: Vielleicht ist es kein Zufall, dass Berlin die „Geburtsstätte“ des Car-Sharing in Deutschland ist und nach wie vor wichtiger Ort seiner Anwendung. Flexible Mobilitätsangebote sind die richtige Antwort auf die Flexibilisierung der Lebensverhältnisse (Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Freizeitgewohnheiten). Dazu können neue Nutzungskonzepte gehören (wie Car-Sharing), Quartiersbusse, Anruf-Sammeltaxen, Paratransit (organisierte Mitnahme), betriebliche Mobilitätsangebote, aber auch im Bereich des Verkehrsumfeldes neue Tätigkeitsmuster, wie etwa Telearbeit oder neue Informations- und Kommunikationsdienste.
Die einzelnen Bausteine zielen auf die systematische Einbettung von Mobilität und Verkehr in die Stadtentwicklung. Damit ist nicht nur Stadt als baulich-räumliches Gebilde gemeint, sondern auch als Ausdruck individuellen Lebens wie als Teil gesellschaftlicher Organisation. Diese Einbettung umfasst insofern mehr als die traditionellen Ansätze zur „integrierten Planung“. Es geht zum einen darum, dass der Stadtraum nicht primär unter dem Aspekt der Verkehrsfunktion betrachtet wird, sondern einen eigenständigen Stellenwert als Lebens- und Aufenthaltsraum besitzt. Zum anderen ist Mobilität, vor allem der massenhafte Kfz-Verkehr, in der Stadt als grundsätzlich knappe Ressource anzusehen, die nie „frei fließen“ kann. Sie ist durch vielfältige constraints per se begrenzt, selbst in Berlin.
Als Konsequenz daraus ist zu klären, wie die entsprechenden Nutzungskonflikte gelöst werden sollen: durch bauliche Expansion, durch informationstechnische Optimierung, durch Monetarisierung der Raumnutzung, durch politische Verständigung ...? Konsens müsste dahin gehend bestehen, dass es weder eine einzige dominante, „totale“ Problemlösung geben kann, noch dass der Versuch der Anpassungsplanung sinnvoll und erfolgreich sein kann: Wer die Stadt mehr oder weniger konsequent an die Erfordernisse des Verkehrs anzupassen versucht, wird scheitern. Es muss vielmehr darum gehen, die Mobilitäts- und Verkehrsorganisation so weit wie möglich an die Stadt anzupassen. Die schrittweise Lösung des Mobilitäts- und Verkehrsproblems setzt dazu erstens eine mehrdimensionale, integrierte Strategie voraus; deren Realisierung ist zweitens nicht nur eine Aufgabe des zuständigen Ressorts, sondern der Gesellschaftspolitik. Für beide Felder hat die Berlin-Studie konkrete Vorschläge gemacht: nicht im Sinne eines vollständigen Katalogs, sondern mit Blick auf Schlüsselprojekte. Sie sind gemeinsam von privaten und öffentlichen Akteuren anzugehen und sollten den Streit um den Verkehr produktiv voran bringen.
Als Resonanz auf den sich vollziehenden sozialen und räumlichen Wandel
in der Region im Lichte von Flexibilisierung, Individualisierung und Suburbanisierung
wird die Notwendigkeit zur Entwicklung neuer, daran angepasster Mobilitätsangebote
gesehen. Sie sollen vorhandene Systeme des öffentlichen Verkehrs dort ergänzen,
wo diese nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind, ohne sie zu ersetzen. Das
Ziel ist ein Verbund aus privaten und öffentlichen, individuellen und
kollektiven, motorisierten und nichtmotorisierten Verkehrsmitteln, der ein
Höchstmaß an individueller Mobilität mit Stadtverträglichkeit verbindet.
Räumliches Experimentierfeld hierfür sind die Randbereiche des
Verdichtungsraums, die bisher vorwiegend der Pkw-Mobilität vorbehalten sind.
Dieser Ansatz bietet auch strategische Antworten auf den durch Suburbanisierung
induzierten zusätzlichen Kfz-Verkehr, der vermutlich nicht für eine Verlagerung
auf den klassischen öffentlichen Verkehr geeignet ist.
Damit verbindet sich eine Abkehr vom traditionellen Begriff der „Infrastruktur“, der heute weniger als baulich-technische Hardware und Unterbau, sondern stärker als intelligente Organisationsleistung zu verstehen sein wird. Mobilität und Verkehr werden – wenn überhaupt – künftig immer weniger über die pauschale Vorhaltung von Angeboten, sondern zunehmend über die Nachfrageseite gesteuert werden müssen. Dieser Verständniswandel sollte auch Konsequenzen für die Infrastrukturpolitik der nationalen Regierungen sowie der EU haben. Er bietet insofern Ansatzpunkte nicht zur Subvention von Betriebskosten des öffentlichen Verkehrs, sondern für einen möglichst treffsicheren Einsatz von Mitteln.
Aufgabenstellung: Entwicklung differenzierter Verkehrsangebote für
solche Nachfragestrukturen, die zwischen privaten Pkw und traditionellen
öffentlichen Verkehrsmitteln angesiedelt sind („Hybride“)
bisherige Beispiele: nur ausschnitthaft vorhanden,
insbes. Car-Sharing in Städten, differenzierte Bedienungsformen in wenigen
ländlichen Regionen (z.B. als Rufbus), aber nicht als integrierte Lösungen
Startprojekt: Durchführung von „Voruntersuchung,
Marktabschätzung und Entwicklungskonzept“ für integrierte Mobilitätskonzepte
an einem ausgewählten Entwicklungsstandort (Wohnen
und mobil sein ...).
Zeithorizont: mindestens fünf Jahre
Umsetzung: Federführend von den Verkehrsunternehmen
(BVG/Bahnen, Stattauto, Taxigewerbe), mit Unterstützung durch Investoren und
Bauträger sowie öffentliche Akteure
Der Bereich Güterverkehr und Logistik repräsentiert in der Region
Berlin-Brandenburg einerseits ein erhebliches Verkehrs- und Umweltproblem, ist
andererseits aber auch durch zahlreiche Vorarbeiten und -erfahrungen in Politik
und Planung gekennzeichnet. Einige Handlungsfelder, etwa die Baulogistik,
gelten im überregionalen Maßstab als vorbildlich. Allerdings wird gleichzeitig
auch eine Diskrepanz zwischen dem hohen programmatisch-konzeptionellen Anspruch
und den bisher noch sehr begrenzten Umsetzungs- (vgl. die Probleme des
kombinierten Verkehrs in den Güterverkehrszentren/GVZ) und Wirkungsresultaten
(Verkehrs- und Umweltentlastung) festgestellt.
Dieser Widerspruch geht u.a. auf die begrenzten Möglichkeiten der
Planung zurück, unternehmerische Dispositionen im Kern zu beeinflussen. Im
Sinne einer Verstetigung der bisherigen Ansätze von logistischen Netzknoten
(GVZ) oder Optimierungsmodellen (City-Logistik) bleibt die Frage, welche Anreize
den Unternehmen gegeben werden können, um Infrastrukturen oder Straßenraum so
zu nutzen, dass die geringstmöglichen Belastungen verursacht werden. Die
Nutzung des Straßennetzes sollte nun so gesteuert werden, dass die anvisierten
Effekte der Umwelt- und Verkehrsentlastung nachprüfbar wirksam werden. Raum-
und zeitbezogene Verkehrsbeschränkungen, die in diesem Kontext bisher angedacht
wurden, haben sich als wenig praktikabel erwiesen oder werden kaum akzeptiert.
Statt dessen sollten marktwirtschaftliche Instrumente ergänzend zu
ordnungsrechtlicher und planerischer Gestaltung erprobt werden. Umgekehrt:
Die Steuerungsdefizite im Verkehrsbereich lassen sich auch damit erklären,
dass eine planerische Intervention abgelehnt wird, die komplementär dazu
notwendige ökonomische Steuerung aber ebenfalls nicht zum Zuge kommt.
Überlegungen für einen Einsatz von Preisinstrumenten (Parkraumbewirtschaftung,
Road pricing) sollten konkretisiert werden, hier bezogen auf einen
Pilotversuch zur Einführung von Road pricing auf überlasteten Streckenabschnitten
des Straßennetzes bzw. in Teilbereichen der Innenstadt. Ein solcher Pilotversuch
bedarf der sorgfältigen Vorbereitung, der gut begründeten Auswahl eines
Erprobungsfeldes und der behutsamen, schrittweisen Einführung (incl. der Abschätzung
nicht-intendierter Effekte).
Ein zweites Aufgabenfeld im Bereich des Güterverkehrs ist die
Entwicklung von Lösungsansätzen auf der lokalen Ebene, da sich die bisherigen
Modelle überwiegend auf die Optimierung von Fernverkehren konzentrieren, nicht
selten auf Kosten eines steigenden Nahverkehrsaufkommens. In Weiterführung des
bisherigen Konzeptes zur Errichtung von Güterverkehrssubzentren könnte eine
„Nachbarschaftslogistik“ etabliert werden, zur Optimierung von Waren- und
Güterströmen auf der Ebene eines Quartiers – also oberhalb der bisherigen
einzelbetrieblichen, aber unterhalb der Gesamtstadt. Die Optimierung der lokalen
Ziel- und Quellverkehre betrachtet einen städtischen Teilraum analog zu einem
(großen) Unternehmen und versucht die logistische Organisation (bessere
Planung und Abstimmung von Warenströmen, Bündelung von Frachten) zu verknüpfen
mit stadträumlicher Steuerung (Anreize, Vorteile, Gebote, Restriktionen).
Aufgabenstellung: Optimierung
des Güterverkehrs im stadträumlichen Kontext
bisher. Beispiele: Güterverkehrszentren,
Plattform Wirtschaftsverkehr (Berlin), Zustelldienste
Startprojekte: Initiierung
eines „Road pricing“-Modellversuchs, unter Hinzuziehung des Entwicklungs- und
Anwendungs-Know-hows der Region; Nachbarschaftslogistik (Verbundsystem in
einem städtischen Teilraum)
Zeithorizont: kann
bereits kurzfristig und auf der Basis der bestehenden Aktivitäten und
Allianzen in Gang gesetzt werden
Umsetzung: gemeinsam
von Transportgewerbe, verladender Wirtschaft, Kammer und Innung, Forschung,
Senatsverwaltungen
EU-Relevanz: allgemein
gegeben, großer Bedarf an Weiterentwicklung der laufenden Güterverkehrskonzeptionen
für städtische Räume (vgl. COST 321)
Die Analyse der bisher verfolgten politisch-planerischen Praktiken in
Berlin zeigt, dass eine angemessen „zivile“ Ausgestaltung der Mobilitätspolitik
noch aussteht. Für Berlin gilt wie für andere Städte auch, dass im Bereich der
Stadterneuerung und -planung eine Vielzahl positiver Erfahrungen mit
Beteiligungsmodellen, öffentlichen Foren und anderen intermediären
Institutionen gemacht wurde. Positive Erfahrungen, die zur weiteren Erprobung
in der Verkehrspolitik und -planung geeignet sein könnten, liegen bisher kaum
vor. Einzelne Modelle wurden unterschiedlich erfolgreich getestet, die Ergebnisse
sind aber nicht ohne weiteres verallgemeinerbar (Bsp. Verkehrsforum Heidelberg).
In Berlin ist hier die Erarbeitung des Stadtentwicklungsplans Verkehr zu nennen,
die Mitte der 1990er Jahre schon einmal für eine Fachöffentlichkeit geöffnet
wurde.
Welche Voraussetzungen bringt Berlin für ein diskurs- und
beteiligungsorientiertes Verfahren mit? Positiv ist die Ausstrahlung des
Berliner Stadtforums auf den Diskurs zur Stadtentwicklung zu nennen, eher
kritisch die oft verhärteten Fronten im Verkehrsdiskurs unter den Akteuren.
Beides sollte zum Anlass für die Einrichtung eines neuen planerischen Instrumentariums
genommen werden. Es sollte als unabhängiges Beratungs- und Diskussionsgremium
dazu dienen, die unterschiedlichen Ansprüche an den Stadtraum – hier bezogen
auf die räumliche Mobilität und ihre positiven wie negativen Folgen – aus der
Sicht verschiedener Interessen zu artikulieren, Konsense und vor allem auch Dissense
zu markieren und auf dieser Basis tragfähige Lösungen ausfindig zu machen. Dabei
muss auch der für jede Konsensfindung zu zahlende „Preis“ benannt werden, d.h.
dass bei konkreten Entscheidungen Transparenz in Bezug auf Vor- und Nachteile,
Begünstigte und weniger Begünstigte, spezifische Nutzen und Kosten hergestellt
wird.
Aufgabenstellung: Einrichtung
eines Verkehrsforums unter Beteiligung von „Experten“ (Verbände, Initiativen),
sachkundigen VertreterInnen der KundInnen und von Politik, Verwaltung, Verkehrsunternehmen.
Ziel: Austausch und Verständigung über Strategieentwicklung, Umsetzungsplanung
und Konfliktfragen
bisher. Beispiele: unterschiedlichste
Modelle und Verfahren (kommunal: lokale Foren und Arbeitskreise, national:
dänischer Verkehrsrat als beratendes Gremium des Verkehrsministeriums)
Startprojekt: als
Pilotmaßnahme Verständigung über zentrale Dissense und Konsense mit Blick auf
anzustrebende kurz- und mittelfristige Ziele der Verkehrspolitik
Zeithorizont: sofort
Umsetzung: zivilgesellschaftliche
Akteure (Vertreter von Unternehmen und Haushalten, organisierte Gruppen),
Senatsverwaltung(en); Initiierung und Federführung durch neutrale/n
„Ombudsmann/-frau“
Eine wichtige Aufgabe zur Sicherstellung von Mobilitätsbedürfnissen und
zur zukunftsfähigen Gestaltung des Verkehrs stellt sich aus Sicht der BerlinStudie
zum einen auf großräumiger Ebene. Eine „offene“ Stadt, eine Metropolregion des
Wissens und des Austauschs, der kulturellen Beziehungen und zivilgesellschaftlicher
Verkehrsformen ist auf Mobilität (Beweglichkeit) und Erreichbarkeit angewiesen.
Seit der deutschen Vereinigung, der Öffnung der mittelosteuropäischen Länder
und der europäischen Integration gehört die Verbindung der einzelnen Teilregionen
zu einer der Hauptaufgaben der Politik. Berlin könnte, verkehrlich betrachtet,
in die Funktion eines „Ostbahnhofs Europas“ hineinwachsen (Karl Schlögel).
Standortentscheidungen (Bau des Zentralbahnhofs, Ausbau des Flughafens
Berlin-Schönefeld) sind in diese Richtung getroffen worden. Unklar bleibt
aber, ob das Gateway-Konzept dem Standort Berlin überhaupt angemessen ist.
Zugleich wird der Ausbau der Verkehrsnetze wegen seiner ökologischen und
verkehrlichen Folgen kritisiert. Auch der Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg
International – gemessen am Drei-Standorte-Konzept gut begründbar – birgt bezüglich
der ökologischen Nachhaltigkeit erhebliche Konflikte.
Damit verbindet sich ein strukturelles Dilemma: Eine wettbewerbsfähige
und sozial wie ökologisch lebensfähige Metropolregion wird auf räumlicher
Mobilität „gebaut“ sein, sie wird sich den Anforderungen nach Beweglichkeit,
Bewegung und Fernerreichbarkeit nicht verschließen können, will sie nicht
zugleich ökonomische Entwicklungschancen einschränken. Sie wird diese Mobilität
jedoch steuern und begrenzen müssen, will sie ihre Lebens- und Standortqualitäten
nicht der Eigendynamik des Verkehrswachstums unterordnen. Sonst öffnet sie
sich der verhängnisvollen Steigerungslogik „...mehr Verkehr schafft die
Bedingungen für mehr Verkehr...“.
Zur Handhabung und Austragung dieses Grundkonflikts gibt es noch keine
einheitlichen Rezepte; insofern ist dieser „Maßnahmenbereich“ hier nur
vorläufig ausformuliert. Zwei Konsequenzen erscheinen jedoch absehbar: Zum
einen sollte eine Möglichkeit geschaffen werden, den Grundkonflikt zwischen
den ökonomischen Anforderungen und den sozialen und ökologischen Problemen des
Fernverkehrs exemplarisch auszutragen. Der Weg Berlins in die großräumige
Integration bedarf einer institutionalisierten Struktur zur kritischen
Diskussion und Austragung dieser Konflikte. Dies wäre eine mögliche erste
Aufgabe für das Verkehrsforum. In diesem Prozess wäre zu klären, welchen
(gesellschaftlichen, ökologischen) „Preis“ die Region für eine gute Anbindung
an die internationalen Luftverkehrsnetze zu entrichten bereit ist, oder aber
auf welcher Basis eine „Brückenfunktion“ Berlins nach Osteuropa solche
ökonomischen und kulturellen Nutzen erbringt, mit denen andererseits
bestehende Nachteile einer überwiegenden Transitfunktion kompensiert werden.
Zweitens sollte die Wiederherstellung der (internationalen) Fernerreichbarkeit
Berlins mit Priorität auf solchen Gebieten erfolgen, für die die Stadt eine
historische Kompetenz mitbringt. Dazu zählt in besonderer Weise das
Eisenbahnnetz. Dieser Ansatz richtet sich räumlich vor allem auf die auch in
der BerlinStudie betonte Funktion Berlins als Brücke nach Osteuropa.
Aufgabenstellung: Entwicklung
einer modernen Fernverkehrskonzeption für die Metropolregion Berlin
Startprojekt: Schaffung
durchgängiger Eisenbahnverbindungen im Personen- und Güterverkehr mit den
mittelosteuropäischen Ländern; Realisierung des Single-Airport-Konzeptes BBI
Zeithorizont: fünf
bis zehn Jahre
Umsetzung: Verkehrswirtschaft
(Eisenbahnunternehmen, Luftverkehrsbetriebe, Reisebüros, Expressdienste /
Spediteure / Verlader); Politik und Planungsträger
Die Verwaltungszuständigkeiten für die Bereiche Stadtentwicklung und
Bauen/Verkehr sollten zusammengelegt und dies als Ausgangspunkt zur Entwicklung
einer integrierten Politikstrategie genutzt werden. In der Vergangenheit hat
sich die getrennte Organisation von Stadtentwicklungs- und Verkehrsverwaltung
in Berlin als Hindernis für eine konsistente Strategieentwicklung und
-umsetzung erwiesen. Obwohl die Zielkataloge der Beteiligten bezüglich einer
integrierten Planungsstrategie viele Schnittmengen aufweisen, haben erhebliche
Zielkonflikte die Entwicklung einer gemeinsamen Politik bisher verhindert.
Die Straffung der politisch-administrativen Organisationsstrukturen
garantiert noch nicht von sich aus eine höhere Konsens- und Treffsicherheit der
politischen Entscheidungen. Dazu erlauben bisherige Erfahrungen aus
Brandenburg oder Nordrhein-Westfalen (Ministerien für Stadtentwicklung, Wohnen,
Verkehr) sowie seit 1998 auch im Bund (BM Verkehr, Bau- und Wohnungswesen) sehr
verschiedene Urteile, von beispielhaft bis eher konventionell. Es ist jedoch
davon auszugehen, dass die organisatorische Integration von Stadtentwicklung
und Verkehr die Chancen für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik zumindest
erhöht.
Aufgabenstellung: Aufbau einer
integrierten Planungsstrategie für Stadtentwicklung und Verkehr in der neuen
Berliner Senatsverwaltung
Termin: sofort
Ein Beitrag zur Reduzierung oder Vermeidung des Güterverkehrs könnte
als Nebenfolge einer stärkeren wirtschaftsräumlichen Integration der Region
Berlin-Brandenburg geleistet werden. Regionale Verflechtungen, die an die
Stelle der historisch bedingten ökonomischen Insellage Berlins treten, sparen
weite Wege und sichern damit, wenn nicht eine ausgewogene Raumentwicklung, so
doch ausgleichende Tendenzen und können somit zu einer Begrenzung des
Verkehrswachstums beitragen. Die hohen Anteile des Fernverkehrs am
Gesamtverkehr, insbesondere im Güterverkehr, sind ökologisch und ökonomisch
gesehen problematisch. Gleichzeitig liegen in der großräumigen Arbeitsteilung
wichtige Ursachen des Güterverkehrswachstums. Eine langfristige, strukturelle Problemlösung
muss an diesen Verkehrsursachen ansetzen.
Ein Ansatzpunkt hierfür sind stärker regional geschlossene Kreisläufe.
Sie sollten langfristig überall dort, wo dies sinnvoll machbar ist, großräumige
Transportketten ersetzen. Eine Verkürzung der Transportketten kann durch den
Aufbau und die Förderung lokaler und regionaler Wertschöpfungsketten und
Produktionsmilieus erzielt und – etwa durch Zulieferbörsen – initiiert werden.
Sie sollte durch eine gezielte Gewerbepolitik ergänzt werden. Beispiele hierfür
geben die funktionale Schwerpunktsetzung der Berliner Gewerbestandortplanung
oder die Berliner Zulieferbörse; sie zeigen auch, dass solche Maßnahmen aus
anderen als verkehrlichen Motiven sinnvoll sein können. Neben dem
produzierenden Gewerbe und der Bauwirtschaft eignet sich vermutlich auch die Nahrungsmittelwirtschaft
für diesen Ansatz.
Aufgabenstellung: Verkehrsvermeidung
bzw. -reduzierung durch regionale Wirtschaftskreisläufe in ausgewählten
Branchen/Produktgruppen
bisher. Beispiele: vorwiegend
ländliche Regionen oder spezifische Stadt-/Umland-Kooperationen
Startprojekt: Initiierung
mit ausgewählten, für einen Verbund geeigneten Produktgruppen/-linien oder
Branchen, z.B. Baustoffe oder ausgewählte Lebensmittel, in Berlin und Brandenburg
Zeithorizont: mittelfristig
Umsetzung: sollte
analog zu ähnlichen Ansätzen (Zulieferbörse) als Kooperationsprojekt mit
Unternehmen, Körperschaften (Kammern), ggf. Senatsverwaltungen und Ministerien
organisiert werden
Seit Fertigstellung und Veröffentlichung der Berlin-Studie haben sich die für dieses Thema relevanten politisch-administrativen Strukturen in Berlin erheblich verändert. Zu nennen sind insbesondere die Einrichtung der neuen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Jahr 1999, die zur schon lange geforderten Integration von Bau- und Verkehrsverwaltung geführt hat. Damit wurden wichtige Voraussetzungen für eine integrierte Betrachtung von Stadt- und Verkehrsentwicklung geschaffen. Diese Verwaltungsorganisation wurde auch nach dem politischen Wechsel von CDU/SPD zu PDS/SPD im Jahr 2001 beibehalten.
Der wichtigste Baustein zur Beurteilung der Politik- und
Planungspraxis im Kontext der Berlin-Studie ist der Stadtentwicklungsplan
Verkehr (StEP Verkehr), dessen Erarbeitung 1999 wieder aufgenommen wurde.
Dieses Planwerk hat erstens einen umfassenden, Ressorts und Verkehrsträger
integrierenden Ansatz. Zweitens zielt der StEP auf Beteiligung, sowohl
bezüglich der Zuarbeit aus der Wissenschaft (über einen wissenschaftlichen
Beirat) als auch durch die Einrichtung eines Runden Tischs, an dem relevante
Interessengruppen vertreten sind (Hesse 2001). Gemeinsam mit Gruppen und
Verbänden werden konsensfähige Lösungen gesucht. Inhaltlich strebt der StEP Verkehr einen Ausgleich zwischen
Funktionsfähigkeit (Erreichbarkeit sichern), Stadtverträglichkeit (Belastungen
reduzieren) und Finanzierbarkeit (Ausgabevolumen reduzieren und konzentrieren)
an.
Welchen Umfang die noch zu beschließenden Maßnahmen des StEP Verkehr haben werden und welche konkreten Wirkungen davon ausgehen können, ist noch offen und wird sich erst im Laufe des Jahres 2002 bzw. später zeigen. Eine Bewertung des Planwerks steht insofern unter dem Vorbehalt dieser konkreten Resultate. Mit dem StEP Verkehr wurden aber schon zentrale Vorschläge der Studie aufgenommen: die Integration der Verwaltungsebenen, die Umsetzung einer integrierten Planungsstrategie sowie die Einrichtung eines Verkehrsforums, hier durch den Runden Tisch. Vorschläge der Studie, die in der Stadtpolitik bisher nicht explizit thematisiert wurden, sind diejenigen bezogen auf den Fernverkehr, den Flughafen BBI, die Flexibilisierung des öffentlichen Verkehrs sowie die Umsetzung von weiteren Maßnahmen im Bereich Güter- und Wirtschaftsverkehr. Zum Teil werden sie im Zuge der laufenden Angebotsstrategien der Verkehrsunternehmen (vgl. die Einführung von Kiezbussen durch die BVG; das Auftreten von Wettbewerbern der Bahn AG) oder in der Implementation von Planungsverfahren (Bürgeranhörungen zum Flughafen BBI) implizit aufgeworfen.
Eine Gesamtbewertung der Vorschläge der Studie im Kontext einer strategischen Stadt- und Mobilitätspolitik steht noch aus. Erst die Umsetzung konkreter Schritte wird diesbezüglich Spreu von Weizen trennen. Bereits in der anstehenden Konkretisierung des StEP Verkehr zeigt sich das Problem, dass die Realisierung von Maßnahmen ganz wesentlich durch zivilgesellschaftliche Akteure erfolgen muss. Hier ist eine gewisse Berliner Tradition von Nachteil, die Politik überwiegend dem öffentlichen Sektor überlässt. Vor allem mit Blick auf die Frage, wie man Mobilität und Verkehr zum gesamt-städtischen Thema macht, wie man die Anliegen einer anderen als auto-mobilen Bewegung in die Stadtgesellschaft transportiert und welches „zivile“ Bündnispartner für diesen Kurs sein können, stehen überzeugende Antworten noch aus. Diese Frage könnte aber wichtiger werden als die nach neuen Verkehrswegen und ‑techniken. Gleiches gilt für das Problem, dass jeder gute Plan vor Ort wirkungslos bleiben kann, wird er nicht durch passende Rahmenbedingungen auf EU- und Bundesebene flankiert. Auch hier besteht großer Nachholbedarf.
Arbeitsgruppe Berlin-Studie (Bearb.)/Der Regierende Bürgermeister (Hg.) (2001): Zivile Wege in das 21. Jahrhundert. Berlin: Regioverlag.
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Brake, K. (2001): Strategische Entwicklungskonzepte für Großstädte – mehr als eine Renaissance der „Stadtentwicklungspläne“. In: AfK II/2000, 277-297.
Dybe, G., Kujath, J. (2000): Hoffnungsträger Wirtschaftscluster. Unternehmensnetzwerke und regionale Innovationssysteme: Das Beispiel der deutschen Schienenfahrzeugindustrie. Berlin: Edition Sigma.
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