Juliane Martinius / Silke Ritter

Mobilität & Kommunikation ‑ Die Chancen einer umweltorientierten Verkehrspolitik durch positiv-emotionale Kommunikation am Beispiel Berlin

Eine Ökologisierung der Verkehrpolitik wird insbesondere durch das Umsetzungsdefizit bei den Maßnahmen verhindert, die den Autoverkehr einschränken sollen. In Berlin versucht man, dieses Umsetzungsdefizit durch konsensuale Planungsverfahren bei der Erarbeitung des „Stadtentwicklungsplan Verkehr“ abzubauen. Die Analyse der verkehrspolitischen Arena hat allerdings gezeigt, dass die Umsetzung von umfassenden restriktiven Maßnahmen unwahrscheinlich bleibt, was nicht zuletzt auf die Schwäche der Handlungskapazitäten der umweltorientierten Akteure zurückzuführen ist. Die Autorinnen plädieren ‑ aufbauend auf ihrer Diplomarbeit am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin ‑ deshalb für eine Stärkung dieser Kapazitäten durch eine umfassende Kommunikationsstrategie, die gezielt Maßnahmen mit hohem Konfliktpotenzial adressiert. Schwerpunkt der Strategie sollte ein Konzept zur Imageverbesserung von ÖPNV und nicht motorisiertem Verkehr (NMV) sein.

1.  Einführung

Das Paradigma, nach dem sich heute alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche richten sollen, ist das der Nachhaltigen Entwicklung. In der Diskussion um eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung nimmt der Verkehr eine zentrale Stellung ein. Konzeptideen reichen hier von einer nationalen Ökosteuer über Vorschläge für Road-Pricing auf der national-regionalen Ebene bis hin zu Maßnahmen der Verkehrsberuhigung oder Parkraumbewirtschaftung auf der lokalen Ebene. Trotz einer Vielzahl an gut durchdachten Planungen und Strategien ist das Verkehrssystem weit von einer nachhaltigen Gestaltung entfernt. Die Tatsache, dass der motorisierte Verkehr zu den Hauptverursachern der heutigen Umwelt- und Klimaprobleme zählt und dies in der Öffentlichkeit allgemein bekannt ist, hat kaum Auswirkungen auf das tatsächliche Verkehrsverhalten des Einzelnen. Das gesellschaftliche Leitbild „Auto“ weist ein erstaunliches Beharrungsvermögen auf und Maßnahmen, die das Autofahren einschränken sollen, gelten als Einschnitte in die persönliche Freiheit. Die Brisanz solcher Maßnahmen ist evident und der politische Wille dementsprechend gering, diese auch umzusetzen. Alle Strategien für eine umweltorientierte Verkehrsentwicklung basieren aber im Kern auf diesen Maßnahmen.

Wie lässt sich dieser Konflikt zwischen den nötigen Maßnahmen auf der einen Seite sowie der mangelnden Akzeptanz in der Öffentlichkeit und dem fehlenden politischen Willen auf der anderen Seite aufbrechen? Kann ein neues Verständnis und ein anderer Stellenwert von Kommunikation einen Ausweg bieten, den fehlenden Baustein für die Umsetzung nachhaltiger Verkehrspolitik beizubringen, für die die Maßnahmenkonzepte längst existieren? Werbefachleute sehen darin große Potentiale, und behaupten, auch unangenehme Dinge ließen sich so verpacken, dass die Leute sie sich gefallen lassen.

Doch wie könnte eine solche „Verpackung“ aussehen? Wie muss Kommunikation gestaltet sein, um umweltorientierte Verkehrspolitik anders in der Öffentlichkeit zu positionieren, um alternativer Mobilität ein modernes, zeitgemäßes Image zu geben und um letztendlich Verkehrsverhalten zu beeinflussen?

 

These 1: Es gibt in der Verkehrsplanung kein Maßnahmenproblem, sondern vielmehr ein Umsetzungs- und Durchsetzungsproblem. Vor allem die für eine umweltorientierte Verkehrspolitik so notwendigen restriktiven Maßnahmen für den motorisierten Individualverkehr scheitern an einem allgemeinen Akzeptanzmangel sowohl in der Öffentlichkeit und bei bestimmten verkehrspolitischen Interessengruppen, als auch bei politischen Entscheidungsträgern. 

Dieses auf mangelnder Akzeptanz basierende Umsetzungsproblem für restriktive Maßnahmen wird gemeinhin anerkannt. Als Lösung wird von Planern eine kommunikative, transparente Planungskultur gefordert, in der das Konfliktpotenzial durch konsensuale Verfahren und die Einbindung der unterschiedlichen verkehrspolitischen Akteure gesenkt wird und, wichtiger noch, Multiplikatoren einer umweltorientierten Verkehrspolitik gewonnen werden können. Ein solcher kommunikativer Prozess bietet zum einen den umweltorientierten Akteuren die Chance auf Beteiligung, zum anderen können in solchen kommunikativen Planungsverfahren, in denen die Akteure den Planungsprozess nachvollziehen, den wachstumsorientierten (an der Förderung des MIV interessierten) Akteuren die Grenzen ihrer Forderungen stärker bewusst gemacht werden.

Jedes umweltorientierte Verkehrskonzept bringt – subjektive – Einbußen für bestimmte Beteiligte und Interessen mit sich. Unter Umständen kann dies bedeuten, dass einem ambitionierten verkehrspolitischen Konzept im Kompromissfindungsprozess auf Druck einflussreicher Interessengruppen die Wirkungsintensität genommen wird. Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich eine zweite zentrale These:

 

These 2: Kommunikative Planungsverfahren sind innerhalb des Verkehrsplanungsprozesses für die Senkung des Konfliktpotenzials und die Gewinnung von Multiplikatoren wichtig. Ihnen wohnt allerdings die Gefahr inne, ein umweltorientiertes Verkehrskonzept zu verwässern, da es gegen eine derartige Politik immer starke Gegner geben wird, die nur bei Zugeständnissen der Planer zu einem Konsens bereit sind.

Diese zweite These gibt Anlass zu der Frage, wie die Schwäche kommunikativer Planung überwunden werden kann. Kann nicht möglicherweise durch eine Verbesserung des Images des Umweltverbundes die Position einer umweltorientierten Verkehrspolitik gestärkt werden, so dass verwässernde Kompromisse nicht nötig sind? Aber wie kann „Image“ verbessert werden? Kommunikationswissenschaftler, die im Image die „subjektiven, verstandes- wie gefühlsmäßigen Bedeutungsmerkmale eines Produkts“ sehen, gehen davon aus, dass ein solches Image z.B. über Werbung zu verändern ist (Kloss 2000, S. 46, S. 116). Dabei ist zu prüfen, wie solche Beeinflussungsmechanismen funktionieren und ob diese nicht auch für die Steigerung der Akzeptanz von umweltorientierter Verkehrspolitik ausgenutzt werden können. Aus dieser Frage leitete sich letztlich eine dritte zentrale These ab:

 

These 3: Das Durchsetzungs- und Akzeptanzproblem kann durch eine zeitgemäße Kommunikation, die sich Mitteln des Marketings und der Werbung bedient, im Zusammenspiel mit einer integrierten Verkehrsstrategie gesenkt, möglicherweise sogar aufgehoben werden.

Die Autorinnen untersuchten dazu die Verkehrspolitik in Berlin. Gegenstand waren die Fragen, wie sich das Verkehrssystem in der Vergangenheit entwickelt hat und inwieweit sich Berlin auf dem Weg zu einer umweltorientierten Verkehrspolitik befindet. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem verkehrspolitischen Diskurs zur Entwicklung des Stadtentwicklungsplans (StEP) Verkehr und darauf, inwiefern es gelang, einen Interessenausgleich und eine allgemeine Akzeptanz für umweltorientierte Verkehrspolitik herbeizuführen.

In der methodischen Herangehensweise orientierte sich die Arbeit an einem politikwissenschaftlichen Analyseansatz.[1] Demnach wird der Beschreibung und Analyse des Verkehrspolitikprozesses eine Bewertung der strukturellen Rahmenbedingungen und der Akteure in der verkehrspolitischen Arena vorgeschaltet, was eine genaue Verortung der Hindernisse und Zwänge im Planungs- und Umsetzungsprozess ermöglicht. 

2.  Zu These 1: Eine umweltorientierte Verkehrspolitik hat primär ein Umsetzungsproblem

2.1  Der Maßnahmenkatalog einer umweltorientierten Verkehrspolitik

In der Arbeit konnten verschiedene lokal-relevante Handlungsfelder identifiziert werden, die als Bestandteile einer integrierten Planungsstrategie zu einer umweltorientierten Verkehrsentwicklung führen können. Dazu gehören die Handlungsfelder Raum- und Siedlungsstrukturen, MIV, ÖPNV, Rad- und Fußverkehr sowie Vernetzte Angebote (z.B. durch Car Sharing). Eine lokale Strategie zeichnet sich dabei durch ein Nebeneinander und eine Gleichzeitigkeit von Push-and-Pull-Maßnahmen sowie durch eine Vielzahl kleinteiliger, dezentraler Maßnahmen aus. Vor allem die restriktiven Maßnahmen (Push-Maßnahmen) sind durch Akzeptanzprobleme bei Bürgern und Entscheidungsträgern belastet, was den notwendigen Push-and-Pull-Ansatz und damit eine umweltorientierte Verkehrsentwicklung gefährdet. Vor dem Hintergrund des ungebrochenen Trends zu mehr (motorisiertem) Verkehr sind Städte wie München, die versuchen, eine integrierte Verkehrsstrategie umzusetzen und denen damit eine trendwidrige Verkehrsentwicklung gelingt, seltene Ausnahmen. Im Regelfall kommt es zu einem Umsetzungsstau vor allem restriktiver Maßnahmen bzw. zu einer Gleichzeitigkeit von ÖPNV- und MIV-Förderung, was nicht als umweltorientiert bewertet werden kann.

2.2 Wie umweltorientiert ist die Berliner Verkehrspolitik?

Die Analyse der verschiedenen Handlungsfelder hat gezeigt, dass Berlin im Hinblick auf restriktive Maßnahmen in der Vergangenheit nur recht leidenschaftslose Versuche unternommen hat, den Verkehr zu steuern. Sicherlich war Berlin nach der Wende mit einem gewaltigen Wiederherstellungsaufwand für die verkehrliche Infrastruktur belastet. Entscheidungen für den Ausbau der Stadtautobahn wie für den Weiterbau der U-Bahn belegen aber, dass man von wachstumsorientierten Idealen ausging. Alles in allem konnten sich in der Vergangenheit die umweltorientierten Optionen auf der Maßnahmenebene nicht durchsetzen. Nur in Teilbereichen waren kleine Erfolge zu verzeichnen (wie z.B. bei Tempo 30). Neben einigen Pull-Maßnahmen beim ÖPNV (Infrastrukturausbau) wurden Push-Maßnahmen kaum bzw. nicht so umgesetzt, dass sie den MIV spürbar beschränken (z.B. mangelhafte Busspuren). Verlierer dieser Entwicklung war insbesondere der ÖPNV. So haben vor allem die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zahlreiche Fahrgäste verloren. Dies versuchte man durch höhere Tarife zu kompensieren, was schließlich zu einem erheblichen Imageschaden des ÖPNV generell führte.

Auch das politische Versprechen, den Fuß- und Radverkehr zu fördern, erwies sich bei näherer Betrachtung zumindestens bis 1999 als Lippenbekenntnis. Seit 1999 weisen einige Indizien darauf hin, dass umweltorientierte Planung einen größeren Stellenwert erhalten hat.

Die Einschätzung der Maßnahmenebene deckt sich mit den verkehrlichen und Umweltzustands-Indikatoren.[2] Diese Indikatoren zeigen, dass – von den sinkenden Unfallzahlen einmal abgesehen – keine Ökologisierung des Verkehrssystems stattgefunden hat bzw. erste Ansätze bis jetzt ohne Auswirkungen auf die Indikatoren geblieben sind. Insbesondere aus dem Anstieg der Kohlendioxidemissionen und der Lärmbelastung durch den Verkehr ergibt sich ein dringendes Handlungserfordernis für die Verkehrspolitik. Ohne eine konsequent umweltorientierte gesamtstädtische Verkehrsstrategie für Berlin ist mit einer weiteren Verschlechterung der Indikatoren zu rechnen, was letztendlich zu einem wachsenden Beitrag des Berliner Verkehrs zum globalen Treibhauseffekt führen sowie eine Verschlechterung der Lebensqualität in der Stadt und eine anhaltende Suburbanisierung zur Folge haben wird.

Mit der Bildung des „Superressorts“ für Stadtentwicklung Anfang des Jahres 2000 wurde ein Wandel der verkehrspolitischen Prioritäten auf Senatsebene spürbar, der zu einer „Zivilisierung des Autoverkehrs“ führen soll. Dies wird momentan vor allem am Maßnahmenpaket des StEP Verkehr deutlich. Zudem achtet man zum ersten Mal auf wirtschaftliche Nachhaltigkeit, die in der Vergangenheit keine Rolle in den Planungen gespielt hatte. Der Wandel äußert sich auch dadurch, dass einige umweltorientierte Akteure wichtige Positionen in der Verkehrsverwaltung besetzen. Die Stärke dieser Akteure ist aber noch als unzureichend zu bewerten. Große Teile der Verkehrsverwaltung sind wachstumsorientiert sozialisiert, und die verkehrspolitischen Zuständigkeiten stark zersplittert, was maßgeblich zu einer Verzögerung der Umsetzung führt. Das Umsetzungsdefizit ist somit noch lange nicht abgebaut.

2.3 Der Maßnahmenkatalog einer umweltorientierteren Berliner Verkehrspolitik

Die Autorinnen haben einen alternativen Maßnahmenkatalog formuliert, der in Teilen dem Maßnahmenkatalog des Stadtentwicklungsplans Verkehr entspricht. Abweichungen gibt es bei einigen investiven Maßnahmen und in Teilen bei der Präzisierung der Push-Maßnahmen. Der Kern dieses umweltorientierten Verkehrskonzeptes besteht darin, bestimmte Maßnahmen nicht umzusetzen:

 

·     Straßenbau: Anstatt Gelder in den Straßenbau zu investieren, sollte der Nachholbedarf beim Infrastrukturerhalt gedeckt werden. Dies kommt dem Eingeständnis gleich, dass das Berliner Straßennetz ausreicht.

·     Telematik für den MIV: Telematiksysteme tragen zur besseren Auslastung des Straßennetzes bei und leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Nachfragebedienung des MIV. Sie stellen somit kein Element einer umweltorientierten Verkehrsplanung dar.

·     Parkplätze: Neue Stellplätze erzeugen mehr Verkehr. Deshalb sollten insbesondere in der Innenstadt und in den Stadtteilzentren keine neuen Stellplätze/Parkhäuser genehmigt werden. Auch P&R stellt durch die bessere Verknüpfung von MIV und ÖPNV nur eine Scheinlösung dar und sollte, wenn überhaupt, nur kleinteilig und dezentral umgesetzt werden.

·     U-Bahnbau         : Anstatt in die U-Bahn zu investieren, sollte man sich auch beim ÖPNV auf die Instandhaltung konzentrieren.

 

In der Vergangenheit konzentrierte sich die Berliner Verkehrspolitik auf derartige große technische und infrastrukturelle Maßnahmen, deren Koordination und Organisation sehr viel einfacher sind als ein Katalog vieler dezentraler kleinteiliger Maßnahmen, wie sie ein umfassendes, umweltorientiertes Verkehrskonzept erfordern würde. Auch stellten sie Prestigeobjekte dar, bei deren Grundsteinlegung und Eröffnung sich Politiker in der Öffentlichkeit zeigen und feiern lassen konnten. Solche Bilder fehlen einem umweltorientierten Verkehrskonzept. Hinsichtlich der Kommunikationserfordernisse stellt sich deshalb die Frage, wie man die Aussage: „Wir investieren in den Bestand und in kleine dezentrale Maßnahmen“ für Politiker vermarktbar machen kann.

3.  Zu These 2: Kommunikative Planungsverfahren helfen, das Umsetzungsdefizit zu beseitigen

3.1  Elemente kommunikativer Planungsverfahren und Erfolgsbedingungen eines Politikwandels

Bei der Analyse der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen, die die Umsetzung einer umweltorientierten Verkehrspolitik maßgeblich prägen, konnten verschiedene Faktoren herausgefiltert werden. Je mehr davon als erfüllt gelten oder dies in Zukunft sein werden, umso stärker sind die Handlungskapazitäten, die weichen Modernisierungskapazitäten, des politisch-administrativen Systems einzuschätzen, um eine umweltorientiertere Verkehrspolitik durchzusetzen und vor allem zu institutionalisieren:

 

·     Günstige Rahmenbedingungen: Die gegebenen Rahmenbedingungen sind nicht ausschließlich maßgebend, können sich aber dennoch begünstigend oder gegenteilig auf einen Wandel auswirken. So bedingen bestimmte Gegebenheiten wie die geographische Situation (z.B. in einem Tal) oder gesellschaftliche Trends (z.B. starke ökologische Tradition) die Wahl von verkehrspolitischen Maßnahmen oder Instrumenten und die Ausrichtung von Programmen, die zum Beispiel in einer anderen Stadt mit anderen Rahmenbedingungen anders gewählt werden müssten oder würden. Auch die Problemwahrnehmung in Politik und Gesellschaft ist ein wesentlicher Faktor, ob bestimmte Maßnahmen akzeptiert werden. Ebenso entscheiden finanzielle Zwänge bzw. Ressourcen über die Wahl der Maßnahmen.

·     Offenheit des politisch-administrativen Systems: Vor dem Hintergrund der neuen Aufgaben und Funktionen für Planer aufgrund gesamtgesellschaftlicher Trends und der enormen Komplexität des Planungsprozesses ist es für eine Akzeptanz gewählter Maßnahmen und Instrumente heute unabdingbar, diesen Prozess dialog- und konsensorientiert anzugehen und Akteure und Interessen auch von außerhalb des politisch-administrativen Systems im Rahmen innovativer Verfahren zu beteiligen. Oft genug bekommen nur dadurch umweltorientierte Bedenkenträger Gehör.

·     Integrative Organisationsstrukturen: Komplexe Probleme wie die des Verkehrs sind nicht mehr (und waren es wahrscheinlich nie) in eindimensionalen, hoch spezialisierten Fachressorts zu lösen. Die Integration sowohl von Politikbereichen der Problemverursacher (z.B. Wirtschaftsverkehr) und der Problemlöser (z.B. ÖPNV-Planung), die sich in der Verkehrspolitik kaum eindeutig voneinander trennen lassen, als auch allgemein verschiedener Disziplinen ist unerlässlich für eine ganzheitliche Problemsicht. Interdisziplinäre Zusammenarbeit benötigt aber geeignete Organisationsstrukturen, die kurze Kommunikationswege ermöglichen und die unterschiedlichen Fähigkeiten z.B. von Spezialisten (z.B. Ampelschaltung) und Generalisten (z.B. strategische Planung) optimal zu integrieren in der Lage sind. Intensive Kommunikation ist bei einer integrierten Arbeitsweise das Schlüsselelement. Ein Ansatz, bei dem Verkehr integrativ gedacht wird, ist z.B. das Mobilitätsmanagement.

·     Umweltorientierung und Engagement der Akteure: Die Initiative, das Engagement, die Überzeugungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit, das Durchhaltevermögen, die Integrität und auch die Entscheidungsgewalt einzelner Personen sind maßgebende Faktoren, ob neue Planungsansätze versucht, Strategien kooperativ und konsensorientiert entwickelt werden und ob es letztendlich zu einer Umsetzung der gemeinsam erarbeiteten Planung kommt. Immer wieder haben Erfahrungen gezeigt, dass einzelne Personen dafür verantwortlich sind, dass bestimmte Wege begangen werden und dass mit dem Weggang dieser Personen Initiativen auch wieder einschlafen können (vgl. Bratzel 1999). So kann auch der umgekehrte Fall eintreten, dass z.B. eine durchaus schlüssige, im Konsens erarbeitete Verkehrsentwicklungsplanung an der Umsetzung scheitert, wenn entscheidende Personen wichtige Schritte verzögern oder boykottieren.

Ein politischer Wandel kann sich aber erst vollziehen, wenn sich die innovative Orientierung und das Engagement einiger Akteure auch in innovativen Organisationsstrukturen und Verfahrensweisen niederschlagen und es so auch zu einem Wandel der institutionellen Werte und damit zu einer Institutionalisierung umweltorientierter Verkehrspolitik kommt. Geschieht dies nicht, reiben sich die oft wenigen innovativen Akteure in ihrer Arbeit an überkommenen Denkstrukturen, Hierarchien und langwierigen Entscheidungsprozessen auf, und ihr Engagement verpufft, ohne dass ein allgemeiner Wandel stattfindet.

Der Erfolg herrschender Akteursregimes hängt von mehreren Faktoren ab, wobei insbesondere dem kommunikativen Geschick eine entscheidende Rolle zukommt. So ist es gerade für umweltorientierte Akteure wichtig, situative Chancen zu nutzen, die sich zum Beispiel durch bestimmte gesellschaftliche Ereignisse und Krisen („focusing events“) ergeben. Verstehen es die Akteure, die jeweilige Situation symbolisch zu überhöhen und die Medien bewusst zu instrumentalisieren, dann können sich über den öffentlichen Druck die Handlungskapazitäten der Akteure steigern lassen. Politische Akteure sind zudem umso erfolgreicher, je besser sie dazu in der Lage sind, latente Interessenkoalitionen zum richtigen Zeitpunkt zu strategischen Allianzen umzuwandeln. Dabei ist auch die Fähigkeit zur Einbeziehung von Dritten und Gegnern wichtig.

·     Innovations- und Lernorientierung des politisch-institutionellen Systems: Politische Wandlungsprozesse erfordern institutionelle Innovationen und Lernprozesse. Diese können sich zum einen in der Wahl der Maßnahmen und Instrumente, die als umweltorientiert gelten, äußern, als auch in der Erprobung und eventuellen Institutionalisierung innovativer Verfahren, die zum Beispiel einen kooperativen und integrierten Politikstil ermöglichen. Am weitesten fortgeschritten sind Lernprozesse zu beurteilen, bei denen es möglich war, auch die inneren Werte, die „deep core beliefs“, einer Institution zu modernisieren. Wesentlich ist, dass sich die Lern- und Innovationsprozesse immer wieder, wie in einer Spirale, auf ein höheres Problemlösungsniveau bewegen, wo in Erweiterung des vorhergehenden Niveaus wieder Innovationen entwickelt und/oder einbezogen werden. Dies ist besonders bei einer Konstanz und Institutionalisierung des umweltorientierten Akteursregimes möglich, da Umbrüche und Neuorientierung der Akteure in veränderten politischen Rahmenbedingungen vermieden werden. Je größer die Handlungskapazitäten der Akteure insgesamt sind, um so eher ist mit einer Institutionalisierung zu rechnen. 

·     Strategiefähigkeit des politisch-institutionellen Systems: Neben dem Tagesgeschäft (umweltorientierter) Verkehrspolitik ist es unverzichtbar, mittel- bis langfristige Strategien zu erarbeiten, an denen sich alltägliche Entscheidungen orientieren können. Die Qualität der Strategie lässt sich daran ablesen, ob es gelungen ist, auf zukünftige Probleme zu reagieren und ob genug Raum für neue Entwicklungen, z.B. Verfahren oder veränderte Rahmenbedingungen, gelassen wurde, um auf diese angemessen antworten zu können. Das stellt natürlich hohe Anforderungen an die prognostischen Fähigkeiten eines politisch-administrativen Systems und seiner Akteure.

 

3.2 Wie kommunikativ ist der Berliner Verkehrsplanungsprozess?

Diese Frage wurde anhand der Analyse des Verfahrens zum Stadtentwicklungsplan (StEP) Verkehr untersucht. Dazu kann zusammenfassend gesagt werden, dass der StEP-Prozess in seinen drei Anläufen eine Genese von einer stark wachstumsorientierten hin zu einer umweltorientierteren Verkehrsplanung und -politik vollzogen hat. (Einzelprojekte, wie das Festhalten an der Autobahnplanung bis zur Frankfurter Allee, stehen allerdings in einer klar wachstumsorientierten Tradition.) Eine integriertere Betrachtung des Themas Verkehr und Stadt ist seit der Bildung des Superressorts Stadtentwicklung einfacher geworden. Der ideologische Stillstand aufgrund der Großen Koalition und zweier stark kollidierender verkehrspolitischer Leitbilder gehören damit der Vergangenheit an.

Die Organisation des derzeitigen StEP-Prozesses basiert auf drei Elementen: der verwaltungsinternen Projektgruppe, bestehend aus Mitarbeitern der Stadtentwicklung sowie der Verkehrsverwaltung, dem Wissenschaftlichen Beirat, einem beratenden Expertengremium, sowie dem Runden Tisch, an dem die verkehrspolitischen Interessengruppen der Stadt[3] in den Planungsprozess einbezogen werden. In der leitenden Projektgruppe herrscht eine eindeutige Umweltorientierung vor. Die Arbeit dieser Gruppe wird allerdings durch den mangelnden Rückhalt innerhalb der Verkehrsverwaltung erschwert, in der viele Anhänger einer wachstumsorientierten Verkehrspolitik die Zuarbeit zum StEP erbringen müssen und zahlreiche Aufträge durch Verzögern und andere Methoden behindern. Die Handlungskapazitäten der wenigen umweltorientierten Akteure werden dadurch begrenzt, diese Mitarbeiter sind stark belastet. Hinzu kommt der Zeitdruck des Verfahrens, der nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass man bereits seit 1994 in Berlin versucht, einen StEP Verkehr aufzustellen und die Verwaltung immer noch ohne mittel- bis langfristige Verkehrsstrategie arbeitet. Unter diesen Rahmenbedingungen leidet die inhaltliche Arbeit an dem Maßnahmenpaket; die Mitglieder des Rundes Tischs fühlen sich teilweise überfordert, das Ideenpotential und die fachliche Kompetenz sowohl des Wissenschaftlichen Beirats als auch des Rundes Tischs können nicht vollends ausgeschöpft werden.

Trotz allem konnten – nicht zuletzt wegen der guten Vorbereitung des Runden Tischs – die harten Fronten zwischen den unterschiedlichen verkehrspolitischen Akteuren aufgebrochen werden. Es entstand ein Klima des Dialogs, das alle Beteiligten ausdrücklich begrüßten. Dies sollte allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass bei den heiklen verkehrspolitischen Maßnahmen, die für eine umweltorientiertere Verkehrspolitik unerlässlich sind, nach wie vor erhebliche Meinungsunterschiede bei den verschiedenen Akteuren vorherrschen. Der angestrebte Abschluss einer Charta StEP Verkehr, die einen partei- und interessenübergreifenden verkehrspolitischen Konsens bis auf die Maßnahmenebene darstellen soll, erscheint somit – in der erwünschten Form – unwahrscheinlich (siehe linke Seite der Abb. 1).

Dies liegt im Wesentlichen daran, dass die restriktiven Maßnahmen, wie z.B. Parkraumreduktion oder Fahrradstreifen (auch beim Verlust von Fahrspuren) außen vor bleiben. Es muss vermutet werden, dass diese Maßnahmen vom ADAC oder auch von der IHK nicht mitgetragen werden. Will man die offene Konfrontation und somit das Zurückziehen dieser Bedenkenträger aus dem StEP-Verfahren verhindern, muss man Kompromissbereitschaft zeigen. Dies führt zwangsläufig zu einem Kompromiss-Szenario (siehe rechte Seite der Abb. 1), bei dem es schließlich nicht zu einer konsequenten Aufnahme der Push-Maßnahmen kommt.

 

 

Abbildung 1:  Die idealtypischen und die wahrscheinlichen Ergebnisse des dritten StEP Verkehr-Prozesses (Eigene Darstellung) 

 

Der Ausstieg des ADAC im Sommer 2001 hat diese Probleme der offenen Konfrontation vorgezeichnet. Nur kleine Fehler reichen, um den fragilen Konsens aufzubrechen. Die wachstumsorientierten Kräfte nutzen dann ihre Macht insbesondere in der Presse, um für ihre Interessen zu kämpfen. Wahrscheinlich ist auch, dass sie damit in dem derzeitigen autofixierten Klima nicht auf taube Ohren stoßen werden. Es wird also in einem solchen in Abbildung 1 dargestellten Konfrontations-Szenario auf die Stärke des Akteursregimes ankommen, um trotz des politischen Gegenwinds an den Inhalten des StEP festzuhalten.

Umso erstaunlicher ist es, dass das laufende StEP-Verfahren bewusstseinsbildende Maßnahmen zwar im Maßnahmenpaket erwähnt, ihnen aber nur eine geringe Wirkungsintensität zuspricht. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass solche Themen weder im Runden Tisch noch im Wissenschaftlichen Beirat diskutiert werden. Die immer stärker eingeforderten weichen Maßnahmen (wie Information, Marketing und Werbung) spielen bei den diskutierten Konzepten eine noch sehr untergeordnete Rolle. Nach wie vor herrscht eine Fixierung auf technische und infrastrukturelle Maßnahmen vor.

3.3 Erfolgsbedingungen eines Wandels in Berlin und Stärkung durch kommunikative Verfahren

Die Umsetzung der Maßnahmen des StEP Verkehr erfordert eine komplexe Vorgehensweise. Aufgrund der Vielzahl an kleinteiligen Maßnahmen ist eine projektorientierte Verantwortungskonzentration, eingebettet in eine allgemeine Verwaltungsmodernisierung, zu empfehlen. Als Teil der Modernisierung der Verwaltung muss die Schaffung einer Art „Corporate Identity“ verstanden werden. Die Position umweltorientierter Akteure und deren Handlungskapazitäten können maßgeblich durch die Bildung strategischer Allianzen und Netzwerke, konsensuale Planungsverfahren, auch unter Einbindung der Bürger, die Nutzung von Kompetenz- und Ideenpotenzialen der Stadt sowie durch eine konsistente und professionelle Kommunikationsstrategie gestärkt werden. All die genannten Maßnahmen basieren maßgeblich auf einer starken, entscheidungsfreudigen Verwaltungsspitze.

Beim Aufbrechen der harten Fronten zwischen wachstums- und umweltorientierten Akteuren haben sich konsensuale Planungsverfahren als sehr wirkungsvoll erwiesen. Runde Tische und eine offene Verwaltung helfen, Misstrauen insbesondere bei potenziellen Bedenkenträgern entgegenzuwirken und ein konfrontatives Klima zu vermeiden. In Berlin versuchte man, durch ein konsensuales Verfahren beim StEP Verkehr die verschiedenen Interessenträger an einen Tisch zu bringen und aktive Konfliktprävention zu betreiben. Damit war man erfolgreich, die festgefahrenen Fronten konnten aufgebrochen werden. Trotzdem bergen diese Verfahren die Gefahr, einen Konsens mit, im Sinne einer umweltorientierten Verkehrspolitik, nicht vertretbaren Kompromissen zu erkaufen. Diese Schwäche konnte auch für den Berliner StEP-Prozess herausgearbeitet werden. Gelingt es im Gegenteil nicht, einen Konsens zu erzielen, ist mit einer anhaltenden Konfliktträchtigkeit bzw. einer Verzögerung der Umsetzung einiger Maßnahmen zu rechnen. In diesem Spannungsfeld ist bei starken Handlungskapazitäten des herrschenden Akteursregimes am ehesten mit einer erfolgreichen Umsetzung eines umweltorientierten Maßnahmenpakets zu rechnen.

4.  Zu These 3: Weniger Konfliktpotenzial umweltorientierter Verkehrspolitik durch positiv-emotionale Kommunikation

4.1  Was ist der Vorteil von positiv-emotionaler Kommunikation?

Die mediale Umwelt hat auf unseren Wahrnehmungsprozess einen hohen Beeinflussungsgrad. Die Massenmedien wirken auf die Denkprozesse von Individuen ein und besitzen zudem eine hohe Glaubwürdigkeit. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass in den Massenmedien eine Dominanz des Emotionalem vorherrscht. Umfangreiche empirische Studien haben gezeigt, dass die Erinnerung an die Gefühle bei einer Medienpräsentation viel stärker ist als bei Sachinformationen, die schnell vergessen werden. Da den Gefühlen im Medienkonsum eine so zentrale Rolle zugebilligt wird, muss davon ausgehend gefragt werden, in welchem Maße sie unser alltägliches Verhalten determinieren. Hier zeigte sich, dass Gefühle im Alltag die zentrale Orientierung bieten.

Massenmedien beeinflussen insbesondere dann, wenn sie positive Emotionen hervorrufen. Die Werbung ist bei diesem Beeinflussungsprozess von zentraler Bedeutung, denn dort werden Produkte in erster Linie positiv-emotional stilisiert. Dabei dient die Trendforschung den Werbemachern dazu, die aktuellen Lebensstile zu verstehen und die Produkte so in Szene zu setzen, dass der Konsument sich darin wiedererkennt. Es wird in ihm ein unbewusstes Verlangen geweckt, dieses Produkt zu besitzen und entsprechend zu benutzen.

Die Autorinnen zogen aus diesen Erkenntnissen die Konsequenz für den Verkehrsbereich: Warum sollte eine positiv-emotionale Kommunikation nicht in der Lage sein, die kognitive Dissonanz zwischen dem Bewusstsein, dass das Auto ein Umweltverschmutzer ist, und dem eigenen Verkehrsverhalten zu adressieren? Anstatt die Nutzung des Autos zu verteufeln und mit dem erhobenen Zeigefinger zu argumentieren, könnte es gelingen, mit positiv-emotionaler Kommunikation die Verkehrsteilnehmer dazu zu verlocken, Fahrrad zu fahren oder den Bus zu nehmen. Hauptzielgruppe einer auf das Verkehrsverhalten bezogenen Kommunikationsstrategie ist der ökologisch gering involvierte Konsument, der über die rationale Ebene nicht zu erreichen ist. Der Charakter der Kommunikation ist also maßgeblich für einen Erfolg. Zürich hat gezeigt, wie eine umfassende positiv-emotionale Kommunikationspolitik das Image des ÖPNV verbessern und sich als Folge dessen positiv auf die Fahrgastzahl auswirken kann. Eine derartige Kommunikation setzt allerdings eine professionelle Planung und Durchführung voraus.

4.2 Wie positiv-emotional ist die Kommunikation der Berliner Verkehrspolitik?

Bewertet man die Kommunikationsbemühungen in Berlin zusammenfassend, kommt man zu einem ernüchternden Ergebnis. Die Versuche der BVG, eine Imagekampagne zu entwickeln, muss man als hilflos und wenig effektvoll bezeichnen; die aktuelle Werbung geht völlig im Mainstream unter. Die „Unterwäschekampagne“[4] stellt dabei sicherlich einen interessanten Versuch dar, eine jugendlichen Zielgruppe anzusprechen. Allerdings ist dies nicht in eine Gesamtstrategie eingebettet. Die Notwendigkeit und Potenziale einer umfassenden und integrierten Kommunikationsstrategie sind nicht bewusst und werden nicht entsprechend ausgeschöpft. Eine Gesamtkommunikationsstrategie, die auch Car Sharing-Angebote, das Fahrrad und das zu Fuß gehen mit einbezieht, erscheint unter diesen Umständen illusorisch. Einen derartigen Gesamtansatz versuchte man beim „Fest der alternativen Mobilität“ umzusetzen. Es muss aber bezweifelt werden, dass aufgrund des wenig emotionalen Charakters der Veranstaltung die Zielgruppe des gering involvierten Konsumenten erreicht wurde. Der Erfolg eines solchen Events basiert auf kreativen Ideen und einer professionellen Vorbereitung. Um den ökologisch gering involvierten Konsumenten anzusprechen, ist die Grüne Liga, die als Organisator des „Festes der alternativen Mobilität“ fungierte, sicherlich nicht der richtige Partner.

In Berlin haben zwar einige Akteure in der Verwaltung den hohen Stellenwert eine Kommunikationsstrategie im Bereich Verkehr erkannt, allerdings fehlen sowohl die personellen als auch die finanziellen Kapazitäten, um eine adäquate Strategie umzusetzen.

4.3 Wie kann eine Verkehrspolitik aussehen, die positiv-emotionale Kommunikation integriert?

Eine umfassende, konsequente Kommunikationsstrategie muss sowohl die ÖPNV-Anbieter, in Berlin maßgeblich die BVG, als auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung umfassen. Es hat sich herauskristallisiert, dass das Image des ÖPNV absolut zentral für eine Steigerung der Durchsetzungschancen einer umweltorientierteren Verkehrspolitik ist und deshalb eine Verbesserung desselben neben der Angebotsoptimierung Hauptaufgabe für die Verkehrsunternehmen darstellen muss. Ein Kommunikationskonzept zum Beispiel für eine jugendliche Zielgruppe muss sich durch die Anwendung des gesamten Instrumentenspektrums, von Werbung, über Events bis Merchandising, und durch eine an die Lebenswelt der Jugendlichen angepassten Sprache auszeichnen. Positiv-emotionale Botschaften spielen dabei die Schlüsselrolle. Auch die Senatsverwaltung muss Kommunikation als komplementären Baustein begreifen und die notwendigen Ressourcen dafür zur Verfügung stellen. Besonders relevant für eine Kommunikation der Verwaltung ist eine professionelle, sachlich-argumentative Öffentlichkeitsarbeit sowie ein kreatives, positiv-emotionales Event-Marketing. Die Planung und Umsetzung einer Kommunikationsstrategie braucht aber eine professionelle Hand.

Ein umweltorientiertes Akteursregime kann also das verkehrspolitische Umsetzungsdefizit durch die Stärkung der eigenen Handlungskapazitäten und durch eine aktive Kommunikation, die entscheidend zur Imageverbesserung der alternativen Mobilität beiträgt, abbauen. Es ist also eine Dualität von Planung und Kommunikation unerlässlich, die in Abbildung 2 illustriert wird. Darin wird die Ziel-, die Instrumenten- und die Handlungsebene unterschieden. Während viele Elemente des „Aufgabenbereichs Planung“ zum planerischen Standardrepertoire gehören sollten, geht der „Aufgabenbereich Kommunikation“ deutlich über das bisherige Verständnis von Planung und Kommunikation hinaus. Das umweltorientierte Akteursregime in Berlin sollte im Hinblick auf die Stärkung seiner relativ begrenzten Handlungskapazitäten in einer solchen Kommunikationspolitik eine ihrer wichtigsten Aufgaben sehen. Mut und Konsequenz in der Durchsetzung sind dabei wichtige Voraussetzungen.

 

Abbildung 2: Stärkung der Umsetzung von umweltorientierter Verkehrspolitik (Eigene Darstellung)

 

5.  Ausblick

In der Zukunft wird in Berlin alles von der Kontinuität und weiteren Forcierung einer umweltorientierten Verkehrspolitik abhängen. Die knappen finanziellen Ressourcen müssen eindeutig auf die Förderung des NMV und auf eine aktive Kommunikationspolitik konzentriert werden, um ihre Handlungskapazitäten zugunsten einer Ökologisierung der Verkehrspolitik auszubauen.

Hier konnten viele Fragen nur angerissen werden, die im Zusammenhang der Stärkung der Umsetzung von umweltorientierter Verkehrspolitik durch Kommunikation relevant sind. Folgende Punkte bieten sich unter anderen für weitere Untersuchungen an:

 

·     Hinsichtlich von Kommunikation müssen umfassende Konzepte z.B. für bestimmte Events entwickelt werden, die die Senatsverwaltung veranstalten könnte. Die Bereitschaft von potenziellen Sponsoren (Fahrradindustrie, Krankenkassen etc.), sich finanziell an solchen Events oder Imagekampagnen zu beteiligen, bedarf genauerer Nachforschungen. 

·     Außerdem bietet die ÖPNV-Privatisierung ein großes Forschungsfeld, denn erst unternehmerische Anreize für ÖPNV-Anbieter können einen unternehmerischeren Geist hervorrufen, der Auswirkungen auf alle Bereiche des ÖPNV-Angebotes hätte. Dieser Geist würde sicherlich auch Auswirkungen auf die Kommunikationspolitik der ÖPNV-Anbieter haben.

·     Es muss ebenso untersucht werden, wie konsensuale, kommunikative Planungsverfahren im Bereich Verkehr für Berlin weiterentwickelt werden können.

·     Jede einzelne verkehrspolitische Maßnahme bedarf einer konkreten Umsetzungsstrategie, um den Prozess zu beschleunigen. Dazu ist die genaue Analyse der beteiligten Akteure entscheidend und wie zwischen ihnen ein Konsens erzielt werden kann. Die Sicherstellung der Umsetzung muss oberster Leitsatz sein.

Literatur

Bratzel, Stefan, Erfolgsbedingungen umweltorientierter Verkehrspolitik in Städten, Basel 1999.

Fichter, Heidi, Ökologische Orientierungen in der Wirtschaftspolitik Berlin – Zum Prozess ökologischen Lernens in politischen Institutionen, Berlin 1995, Dissertation FU-Berlin.

Kloss, Ingomar, Werbung – Lehr-, Studien- und Nachschlagewerk, München-Oldenburg 2000.



[1]    Dem in dieser Arbeit gewählten Ansatz liegen hauptsächlich die Dissertationen von Bratzel (1999) und Fichter (1995) zugrunde, die einen klassischen Politikanalyseansatz wählten. 

[2]     Verkehrliche Indikatoren: Modal Split, Fahrleistung im MIV in Personenkilometer, Fahrzeugbestand; Umweltzustands-Indikatoren: Schadstoffe & Emissionen, Energie- & Flächenverbrauch, Lärm & Unfälle, psychosoziale Folgen

[3]    ADFC, ADAC, Bürgerinitiativen, Agenda 21, IHK, Fuhrgewerbeinnung

[4]    Unterwäscheteile tragen den Namen einzelner U-Bahnhöfe, die ironischerweise auf die von ihnen verpackten Geschlechtsteile anspielen („Krumme Lanke“, „Jungfernheide“ usw.).